Wann darf ich, nach der Geburt, wieder Sport machen?
Das Baby ist geboren und der Schwabbelbauch ist erstmal mitgebucht. Da dauert es nicht lange, bis ich bei meinem Hebammen-Wochenbettbesuch, die Frage höre:
"Ab wann kann ich wieder Sport machen, wann kann ich wieder joggen gehen? "
Typische Fragen im Wochenbett, auf die es keine pauschale Antwort gibt. Damit du dennoch eine gute Antwort bekommst, beleuchte ich das Thema von mehreren Seiten.
Was passiert wann?
Tag 1-10 bezeichnet man das frühe Wochenbett. Ab Tag 11 bis 8 Wochen nach der Geburt nennt man das späte Wochenbett.
Im frühen Wochenbett ist dein Körper noch sehr müde und angestrengt. Dein Körper ist im vollen Heilungsprozess und braucht Ruhe, Schonung und Liegezeit kombiniert mit warmen und gutem Essen, soviel Schlaf wie möglich.
An Sport, ist in dieser Zeit nicht zu denken. Zum einen, weil man meistens ganz schön müde ist und der Fokus ganz beim Baby liegt und zum anderen, du bist in der großen Heilungsphase.
Das kannst du jetzt schon machen
Aber es gibt bereits 3 Bewegungen/Übungen, die du nutzen kannst, um deine Rückbildung im frühen Wochenbett zu unterstützen.
1. Eine Bauchmassage
2. Atemübungen, um dein Zwerchfell zu aktivieren und deinen Beckenboden wieder neu zu spüren.
3. Die Bauchlage. Sobald deine Brüste und es dir wieder erlauben und du schmerzfrei in der Bauchlage liegen kannst. 2x täglich 5-10 min.
Die Bauchmassage tut sooo gut und hilft deinen Muskeln und Bändern wieder ihren richtigen Platz zu finden.
Dein Zwerchfell hat wieder richtig Platz und den will es wieder voll ausnutzen. Genau dafür sind Atemübungen genau das richtige.
Deine Gebärmutter ist im nichtschwangeren Zustand nach vorne gekippt, durch die Bauchlage unterstützt du sie, dass sie wieder in diese Position zurück kommt.
Dein Beckenboden im Wochenbett
Dein Beckenboden fühlt sich in den ersten Tagen nach der Geburt meist recht diffus ansteuerbar an. Gut möglich, dass er sich innerhalb der ersten 3 Wochen, bei längerem Stehen oder Gehen, sich schwer anfühlt und nach unten drückt.
Vielleicht merkst du in dieser Zeit auch gar nicht, ob deine Blase voll ist oder der Urin läuft bevor du auf dem Klo sitzt. All das sind eindeutige Zeichen, dass du mehr liegen darfst und anfängst über die Atmung mit deinem Beckenboden zu arbeiten.
Also bleib liegen und nutze sanfte Übungen.
Heilungs- und Übungzeit schlau kombinieren
Gerade, weil der Beckenboden sich nach der Geburt vielfach schwieriger ansteuern lässt, darfst du früh anfangen ihn zu aktivieren. Früh, in kleinen und einfachen Dosen!
Betrachtet man die Rückbildungszeit vom Aspekt des Heilungsablauf, dann befindet sich der Körper nach der Geburt von Tag 1 bis Tag 6, in der Proliferationsphase. Das heißt, hier findet „nur“ Heilung statt.
Von Tag 7-Tag 21 beginnt die neue Verknüpfung von Muskelsträngen und Nervenzellen. Diese Zeit ist insofern perfekt, um leichte aber zielgerichtete Bewegungen in deinen Alltag einfließen zu lassen.
Tag 21- 60 Dein Gewebe wird wieder etwas belastbarer und flexibler. In diesem Zeitraum hilft es langsame gezielte Übungen zu nutzen, um die tiefe Muskulatur zu stützen. Wichtig ist, auf deinen Körper gut zu hören. Achte auf Ermüdungszeichen, vermeide Schmerzen und taste dich im besten Fall mit Anleitung voran.
Dein Körper kann dir gut zeigen, welche Übungen bereits möglich sind und welche du noch meiden solltest. Ziel ist es das du selber spüren kannst worauf du achten musst, um die Kraft deiner tiefen Muskulatur lesen zu können.
Ab wann, kann ich einen Rückbildungskurs machen?
Nach einer vaginalen Geburt kannst du nach 6-8 Wochen mit einem Rückbildungskurs beginnen, nach einer Bauchgeburt nach 10-12 Wochen. Hier geht man davon aus, dass dein Körper so fit ist, dass er es schafft 1h Sport wieder machen zu können. Erst langsam und dann Woche für Woche etwas fordernder. Deine Krankenkasse bezahlt dir pro Geburt einen Rückbildungskurs, den du spätestens bis zum 9. Monat abgeschlossen haben solltest.
Wenn du dir den Heilungsablauf anschaust, dann schreit es danach, dass du früher Übungen regelmäßig (also 2-3x wöchentlich ) nutzt. Zwischen Tag 7 und 21.
Wie bekommst du gute Übungen für die Wochenbettzeit?
1. deine Hebamme zeigt dir Übungen und du bekommst 1:1 einen Rückmeldung über die Durchführung.
2. Nutze Übungen aus der Online Hebammenpraxis, über den Youtube-Kanal
3. Suche dir einen Beckenbodenkurs mit Übungen gezielt für die Wochenbettzeit. Das heißt, unter einer Stunde, langsame Übungen, die die tiefe innere Muskulatur aktiviert. Z.B. der Recreate-Kurs
Ein besseres Körpergefühl
Ich gebe als Hebamme seit 2009 Rückbildungskurse. Meine Erfahrung zeigt, dass Frauen, die sowohl ihr Wochenbett ernst nehmen, häufig liegen und den Haushalt komplett abgeben und früh gezielte Übungen nutzen, dass sie vielfach schneller fit sind.
Es braucht Zeit sich wieder wohl im eigenen Körper zu fühlen und da tragen gute Übungen im Wochenbett viel dazu bei.
Früh anfangen heißt nicht viel hilft viel, sondern mit der richtigen Qualität an Übung und der richtiger Ausführung, kommst du vielfach schneller voran.
Es ist Gold wert, wenn du spüren kannst, wie weit du deinen Körper fordern kannst ohne ihn zu überfordern. Und das bedingt eine gewisse Langsamkeit, um reinspüren zu können und um dich selber korrigieren zu können.
Alltag prägt
Dein Körper übernimmt, was du ihm anbietest und je mehr du ihm das selbe anbietest, gibt er sich Mühe darin immer besser zu werden. Ist deine Rückenposition immer rund, unterstützt dein Körper dich darin, dass du besser rund sitzen kannst und verkürzt die passende Muskulatur und Bänder.
Wenn du nicht erst wartest, bis dein Rückbildungskurs startet, lenkst du deinen Körper gleich in die richtige Richtung, am besten mehrmals in der Woche.
Eine der ersten Übungen, die Frauen bei mir lernen, ist ihre Grundspannung von Bauch und Beckenboden kennen und spüren zu lernen. Diese Grundspannung ist aufgebaut mit deiner Tiefenmuskulatur, diese willst du halten können während der Übung.
Dadurch hast du eine direkte Rückmeldung, ob eine Übung für dich noch zu schwer ist, zu einfach, fordernd oder überforderd. Und genau das ist Gold wert, denn niemand hat genau den selben Fitnessgrad. In der Rückbildung geht es immer um Aufbautraining und das ist immer individuell.
Ab wann wieder richtigen Sport machen?
Sport gehört zu deinem Leben dazu und du vermisst ihn? Das Gute daran, dein Körper kennt es regelmäßig Sport zu machen und im besten Fall hast du auch Sport in der Schwangerschaft genutzt.
Bewegungsabläufe, die du kennst kommen schneller wieder und du kannst sie verfeinern mit Übungen aus deinem Rückbildungskurs. Z.B. deine Grundspannung zu beachten und deine Körperhaltung.
Deine Rückbildung ist leider nicht abgeschlossen mit 10 Wochen Rückbildungskurs. Wenn man sich deinen Körper von vielen Ebenen ansieht, dann dauert Rückbildung leider lange. Mindestens 1 Jahr und durchschnittlich gesehen reden wir von 2-2,5 Jahren. WOW.
Da sind einige schon wieder schwanger! Um so wichtiger, dass dich das erste Jahr ein Aufbautraining begleiten darf.
„Klassische“ Sportarten, mit denen du nach deinem Rückbildungskurs starten könntest.
> Schwimmen
> Nordic Walken
> Standardtanz
> Ballett ohne Sprünge
> Bouldern, wenn du alle Routen bis zum Boden zurück kletterst und Sprünge dir für den Notfall aufhebst.
> Yoga
> Eislaufen, Inlinefahren
> Langlauf
> Radfahren
Kleine Dosen
Egal mit was du startest, wichtig ist, dass du in kleinen Dosen startest, weil du die Rückmeldung zu deiner Sporteinheit meistens erst danach bekommst.
Spüre während der Einheit rein, wie gut du die Bewegung, deine Körperhaltung, deine Grundspannung halten kannst, wie sich dein Beckenboden dabei anfühlt.
Und dann spürst du nach, wie es dir am Abend und in den nächsten Tagen geht!
Spürst du Rückenschmerzen, Knieschmerzen, drückt dein Beckenboden, musst du ständig Pipi machen?
Kannst du eins der genannten Symptome spüren, dann war die Summe des Tages plus das Training zu viel. Also musst du das Paket kleiner schnüren. Kürzer, langsamer, mehr Pausen.
Geht es dir gut, behalte das Trainingpensum bei und steigere dich langsam. Immer nach dem selben Prinzip. Spüre nach und passe an.
Nutze bekannte Sportarten zuerst
Sportarten die du kennst, kannst du wahrscheinlich schneller nutzen als Sportarten, die für dich komplett neu sind.
Reiten ist gutes Beckenbodentraining, wenn du deine Balance und Körperhaltung gut halten kannst. Allerdings musst du dich darin üben, dein Training kurz zu halten. 15-20 min auf dem Pferd sollte für den Anfang gut sein. Und dann kommt das Nachspüren.
Angenommen du bist noch nie geritten und weißt, dass es gut für den Beckenboden sein soll. Aber deine ersten Stunden auf einem Pferd sind mehr ein Gewackel, Gehoppel und gute Körperhaltung ist noch nicht in Sicht. Keine gute Idee.
Ich hoffe du verstehst, meine Sichtweise. Du willst während des Sportes deinen Körper beobachten können, dafür musst du die Bewegungsabläufe richtig gut kennen.
Sportarten, mit bekannten und planbaren Bewegungsabläufen, sind besser für dich in der Aufbauphase, als Sportarten zu denen Körperkontakt, Wettkampf und unvorhersehbaren Bewegungen dazugehören.
Lieber Tanzen als Tennis
Also ist Tanzen beckenbodenfördernder in dieser Zeit als Tennis. Du weißt nie, wo der nächste Ball landen wird und während du ihm hinterher hechtest, vergisst du wahrscheinlich erstmal deine Körperhaltung und deine Grundspannung.
Wann wieder Joggen nach der Geburt?
Schwierigstes Thema. Joggen ist ist eine schöne Sportart und so einfach, weil du einfach nur deine Schuhe brauchst und los geht’s.
Aber für deinen Beckenboden ist Joggen mega anstrengend.
Die Bänder deiner Gebärmutter sind in der Schwangerschaft bis zu 12x länger gedehnt worden. Die Bänder sind zuständig für das Halten und Positionieren der Gebärmutter. Bis die Bänder wieder voll halten, wackelt in deinem Becken alles hin und her und beim joggen extrem. Leider tut diese Instabilität im Gegensatz zu einer Bänderüberdehnung am Bein nicht weh.
Wenn du noch nie joggen warst, denke das erste Jahr nach der Geburt nicht mal daran joggen zu gehen. Warum, weil es auch hier Bewegungsabläufe, bewusste Atmung, Körperhaltung gibt, die du gleichzeitig mit deinem Beckenboden spüren willst.
Ich will aber
Du bist nicht zu bremsen und keine andere Sportart lacht dich an. Dann teste nach einem halben Jahr mega langsam, wie es sich anfühlt. Starte mit 50m langsam joggen (eher bergauf als bergab) und dann gehst du 200m und so machst du deine erste Einheit von max 30 min.
Und wie immer, spüre nach.
Ich hoffe dieser Blogbeitrag hat dich weiter gebracht und du fühlst dich sicherer, wie du wieder zurück in deinen Sport kommen kannst.
Alles Gute dir
Nadja